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Akos Birkas
IM WANDEL
Galerie EIGEN + ART Berlin
19. Januar - 25. Februar 2017 

„Ich will meine Richtung ändern, weil sich die Welt so schnell ändert." erklärte Akos Birkas bei unserem Gespräch im Oktober 2016. Das ist eine kühne Haltung. Denn Richtungswechsel gehören nicht unbedingt zu den bewährten Stilmitteln des künstlerischen Erfolgs – schon gar nicht ab einem gewissen Lebensalter. Für extrovertierte Naturen bietet die Wiederkehr des Immergleichen eher einen gewissen Halt, denn so bleibt auch das Level der öffentlichen Resonanz stabil. Für einen nachdenklichen Künstler mit dem Hang zur Innerlichkeit jedoch, und einem solchen begegnen wir in Akos Birkas, ist die Bereitschaft zum Wandel existenziell. In dieser, behutsam retrospektiv eingerichteten Ausstellung werden wir Zeugen von Birkas' Transformationen. Wir erleben, wie radikal er in dieser Hinsicht mit sich selbst und dem Gewohnheitstier Betrachter verfährt.

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Doch zunächst einmal sind da jene, fast immer als „Kopf" betitelten Ovale, die seit Mitte der 1980er bis etwa ins Jahr 1999 hinein entstanden. Die Welt war ins Wanken geraten, ein biografischer Umbruch, den der Ungar Birkas mit Millionen von Osteuropäern teilte. Sein Werk verrät kaum etwas von diesen Tumulten, es bleibt ruhig, konzentriert, konzentrisch. Wie der Mönch eines Zen-Klosters jeden Morgen Sandmuster in den Trockengarten harkt, so bedachtsam, meditativ und pastos streicht Akos Birkas eine längliche Rundform auf die Leinwand. Er beginnt mit eher unruhigen Binnenstrukturen, flackernden Farbmischungen und meist fügen sich die Köpfe aus zwei bis drei Bildtafeln zusammen. Unvermittelt stellt sich eine Verwandtschaft her zu jenen sparsamen Ikonen, die Alexander Jawlensky aus Gesichtern destillierte oder zu Malewitschs späten Prototypen, deren ovale Gesichter nicht einmal mehr Masken waren. Aus dieser äußersten Vereinfachung erwächst eine spirituelle Qualität, so als hätte die Aura selbst die Regie übernommen. Denn assoziieren wir Aura nicht stets mit einer Rundform, sei es flächig oder räumlich?

All das gilt auch für diese Werkphase von Birkas. Nach ein paar Jahren driftet seine Palette in eine graubraunschwarze Monochromie. Das mag auf Leere hinweisen und Melancholie. Eine Selbstreflexion? Nun klingt mit einer solchen, intim aufgefassten Kopfform, bei aller programmatischen Abstraktion, stets die Möglichkeit eines Selbstporträts an. Zumal sich Birkas in seinen früheren Fotoexperimenten sehr gründlich mit diesem klassischen Sujet befasste. Mit Sicherheit fand hier eine konzeptionelle Selbstbeobachtung statt. Statt sich aber im graduellen Verlöschen zu üben wie etwa Roman Opalka, zog Birkas die Bremse. Im Rückblick beschreibt der Maler das Dilemma, in das er mit seiner „geradlinigen. Konsequenten Reduktions-konzeption" geraten war: „... (es) drohte, dass ich bald nur noch mit den ärmlichen Überresten meiner Bilder wirtschaften könnte...Ich musste einen Weg zu einer lebensfähigen Malerei finden." (A.B., 2006)

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Also ein Richtungswechsel hin zur Gegenständlichkeit; ein veritables Kontrastprogramm, das anfangs gelegentlich noch von Zitaten des Gesichts als Oval oder gewohnt zerlegten Malflächen flankiert wird. Generell aber will er sich durch die neue, „kommunikativere, realistische Malerei...auf ein unbekanntes Gebiet" (A.B., 2006) führen lassen. Seine Gemälde werden zu Erzählbühnen. Auf der Grundlage von diversen Fotovorlagen beschäftigt er sich nun mit gesellschaftskritischen Themen. Ohne die geringste Scheu vor Plakativität oder starker Emotionalität behandelt er bereits ab 2006 die düstere Symptomatik weltweiter Migrationsbewegungen und widmet sich um 2012 dem Heraufdämmern des Populismus.

Ganz sicher ist es nicht der Zweifel an derlei engagierten Inhalten, der Akos Birkas zu seiner neuerlichen Wandlung veranlasst. Die Fragen, die er sich momentan stellt, sind viel mehr künstlerischer und philosophischer, als inhaltlicher Natur.

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Er habe das Gefühl, der Bildraum für die menschliche Figur – seit jeher als Bühne definiert – löse sich zunehmend in Fragmente auf. Damit spricht er den aktuellen Einfluss der digitalen Kommunikation auf die gesamte visuelle Realität an und ergänzt: „Wenn man das ernst nimmt, ist es ein universales Problem. Ich muss versuchen, an dieser Front der Existenz etwas zu formulieren." Dieser selbstverordnete Imperativ spiegelt sich beeindruckend in seiner neuen Werkgruppe von Aquarellen, die letzten Sommer in Aschersleben entstanden. Wir sehen hier einige davon in einer installativen Komposition, verbunden durch ein unregelmäßiges Liniennetz. Auf den Blättern selbst schweben zarte, körperlose Porträtköpfe. Geometrische Farbflächen überlagern und halten diese Figuren. Und obwohl es dem Künstler um das Zerfallen von traditionellen Bildwelten zu tun ist, bemüht er sich gleichzeitig um eine Synthese. Denn er zitiert das alte Motiv des Kopfs als Oval, nun jedoch figürlich und bettet es in abstrakte Konstruktionen ein. „Einsicht" lautet der Titel dieser Reihe. Doch tatsächlich dargestellt wird eine solche Einsicht nicht, eher wohl der Weg dorthin. Viel zu grüblerisch und vage scheinen Mimik und Gestik der jeweiligen Personen. Nicht von ungefähr sind Selbstbildnisse von Akos Birkas darunter. Sie wirken wie kurze Einblicke in die Denkwerkstatt (s)eines unablässigen Wandels.

Text von Susanne Altmann

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