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Ryan Mosley
A planets revolution
Galerie EIGEN + ART Berlin
24. Oktober - 30. November 2019

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Ryan Mosleys Gemälde waren stets waghalsige, pointierte, intuitive Werke, die sich durch ihren Überschwang und ihre ungestüme Freiläufigkeit auszeichneten. Sie nahmen dabei Motive aus der unsteten, vielgestaltigen Zirkus- und Jahrmarktswelt in sich auf oder aus dem anarchischen Krakeel des Dada. In figürlichen Impulsen wurzelnd, schwelgten sie im Bizarren, dem Unwahrscheinlichen, dem Unberechenbaren und dem Grotesken. Es waren sich selbst genügende, in sich geschlossene Welten der Unbekümmertheit, inszenierte Performances, Theateraufführungen, die wir uns bereitwillig anschauten. Und im Hintergrund fühlten wir immer die schattenhafte Präsenz all jener Künstler, die zu ihrer Gestaltung beigetragen hatten, von Daumier bis Kitaj, Hogarth bis Degas, Manet bis Picasso und Léger bis Darger.

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Bis jetzt. Mosleys vierte Einzelausstellung in der Galerie EIGEN + ART markiert eine Veränderung in Atmosphäre und Stimmung. Ihr Titel A planets revolution verweist wie nie zuvor auf unsere politischen Ungewissheiten. Ein Gefühl der Ratlosigkeit scheint aus dem unbekümmerten Spiel mit kräftigen Farben verzweifelte Anläufe zum Optimismus zu machen.

Auf dem Gemälde Songs for the Sea spielt ein Mann Geige in einem dahintreibenden Boot und wird von Männern in einem anderen Wasserfahrzeug kritisch beäugt. Auf dem Bild Lonely Was a Mountain treibt ein Mann, der gedankenverloren einen Schädel in Händen hält, ruderlos durch unbekannte Gewässer. A planets revolution zeigt einen melancholischen Mann, ganz in sich gekehrt, beim Ausführen seines Hundes; er wird dabei von einer räuberischen Katze gemustert. Individuelle menschliche Gesichter, die in all ihrer Sorge so realistisch wie nie zuvor wiedergegeben sind, treten an die Stelle der unbekümmerten Groteskerie von einst. Die Symbolik des Wassers ist bedrohlich, es hat die Macht, alles zu verschlingen. Auf zwei der größten Bilder dieser Ausstellung treiben die Menschen hilflos darüber hin, jeder ist ein Odysseus auf der Suche nach einer Heimat. Fast wie eine Skulptur mutet das Wasser hier an, mit herausgemeißelten Rundungen. Und erkennt man nicht in der Zartheit, mit der Mosley auf Under a strange canopy das Kamel gemalt hat, mehr als deutlich die Vergänglichkeit und Zerbrechlichkeit der Welt?

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Let in life zeigt im Profil eine trist aussehende Frau mit verhärmten Gesichtszügen, die eine langstielige Pfeife raucht – es umgibt sie mehr als nur ein Hauch von Munch’schem Pessimismus. Der Pfeifenrauch formt ein unheimliches, scharf abgegrenztes Dreieck in Giftgrün, das ihren Kopf einfasst. „Meine Großmutter sagte immer, eine Frau mit Zigarre sei tough“, merkt Ryan an. Diese Stärke mag überlebensnotwendig sein.

Text von Michael Glover
Übersetzt von Frank Süßdorf

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