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NRauch_Das_Treffen_2013

Neo Rauch

Gespenster
21. September - 7.Dezember 2013
Eröffnung: Samstag, 21. September 2013 , 11-21 Uhr

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Jedes der neuen großformatigen Gemälde in der Ausstellung Gespenster eröffnet dem Betrachter den Blick in eine belebte Szene, in der mehrere simultane Momentaufnahmen sich zu einem Bild verdichten. Ein gedämpfter, rotbrauner Unterton durchzieht die Bilder, aus dem die wenigen leuchtenden Farben in der Kleidung der Protagonisten umso stärker hervorstechen. Der blaue Frühlingshimmel, der noch in den letzten Bildern aus 2012 den Hintergrund beherrschte, wird von Sonnenuntergangsrot oder graublauen Regenwolken verdrängt, die letzten Überbleibsel eines Gewitters, unter denen sich gerade die Sonne wieder hervorschiebt.

In Das Treffen erblickt man diese hinter einem gewaltigen Fensterkreuz, unter dem sich fünf Figuren eingefunden haben, ohne jedoch miteinander zu kommunizieren. Man denkt an die grün, blau und rot gekleideten Heiligen der Sacra Conversazione von Giovanni Bellini, doch statt der Jungfrau Maria bildet ein Tisch, auf dem ein roter und ein blauer Hirschkäfer miteinander ringen, den Mittelpunkt der Szene. Darunter wiederholt sich das Schauspiel in zwei ineinander verschlungenen Ästen, um sich im Vordergrund in der Begegnung von zwei futuristischen Spielzeugautos noch einmal abzuspielen. Seltsame Mützen mit Hasenohren ersetzen einen Nimbus, altmodische, aus der Zeit gefallene Kostüme die Heiligengewänder. Jede Figur scheint einer eigenen Erzählung zugehörig, nur über die Gleichfarbigkeit ihrer Kleidung und durch ihre geschlossene Komposition fügen sie sich zu einem Bild. 

Mit dieser Gleichzeitigkeit von verschiedenen Szenen in einem Bild, die sich teils räumlich, teils narrativ überlagern, konfrontiert Neo Rauch den Betrachter in fast all seinen Arbeiten und bringt ihn dazu, sich immer tiefer in die Szenen zu versenken, in dem Versuch, die einzelnen Stränge zu erfassen. Wie durch eine höhere Macht oder einen außenstehenden Strippenzieher werden die Figuren auf ihre Bühnen gesetzt und erhalten meist erst im Prozess des Malens ihre endgültige Position im Bild. 

In Rost entschwebt ein braungefärbter Mann - oder ist es eine verrostete Skulptur? – den Händen einer am rechten Bildrand stehenden Assistenzfigur, als würde er den Schritt vom einen in den anderen Bildraum wörtlich nehmen wollen. Doch schon in der Bildmitte wird er eingeholt von der zuvor am Rand Platzierten, die nun das Bild durchquert, sich dabei noch einmal umdreht, als würde sie das seltsam abstrakte Denkmal auf seinem rostigen Sockel und die am Boden liegende Rakete begutachten wollen, um gleich danach - doch im Bild gleichzeitig - hinten im Gebüsch zu verschwinden. 

Über der Stadt im Tal im gleichnamigen Bild tritt eine Frau aus dem rotglühenden Abendhimmel heraus, mit brennenden Stöcken befeuert sie die Leinwand auf der Staffelei vor ihr, die davon in Flammen aufzugehen scheint. Indessen wird sie selbst zum Motiv, gebannt auf den Skizzenblock der Figur vorne rechts, die in Rückenansicht auf einer dunklen Böschung liegt, hinter der sich statt Caspar Davidschen Kreidefelsen die in gold-orangenes Licht getauchte Stadt im Tal erstreckt. 

Das Prinzip des ‚Bild im Bild’ lässt sich in fast allen Werken der Ausstellung entdecken. Zugleich spiegeln die Bilder ihre eigene Entstehung, wenn Neo Rauch immer wieder den Bildhauer und den Maler selbst im Bild festhält oder sein eigenes Porträt sich unter die Figuren mischt.

Deutlich wird dies besonders in Das Bannende: Vom knienden Künstler, der vorne links eine Skulptur bemalt, schweift der Blick über den stillen Zuschauer in dem Schuppen im Hintergrund zu einem weiteren Künstler, in Pose und Garderobe dem 19. Jahrhundert entsprungen, der ein monumentales, leuchtend grüntürkises Fabelwesen erschaffen hat, mit merkwürdigen Auswüchsen am Kinn, die Zähne oder Bart gleichermaßen sein könnten, und ihm vielleicht gerade den letzten Schliff verpasst. Daneben zeigt ein eleganter Herr seiner Gefährtin ein fertiges amorphes Objekt, das glatt der Hand des Bildhauers links daneben entsprungen sein könnte, auf den der Blick unweigerlich zurückschweift, immer im Kreis und von einer grünen Farbfläche zur nächsten, die in der ocker-rot-brauen Szenerie wie Ankerpunkte platziert sind, an denen das Auge entlang springt und der Routine der emsig arbeitenden Künstlerschaft folgt.

Anders als in den großen Gemälden ist der Strich in den Kleinformaten der Ausstellung zeichnerischer, weicher, die Szenen zeigen isolierte Figuren wie in Das Gestüt oder herbstliche mitteldeutsche Landschaften (September), die ganz ohne die Anwesenheit von Menschen oder anderer Bevölkerung auskommen. Wie ein Fragment aus einem fertigen Bild, das sich verselbstständigt hat, liegt das Städtchen in Ankunft  in violettem Abendlicht, ein fast schon klassisches Landschaftspanorama, wäre da nicht der riesige geometrische Turm, der in den Himmel ragt, nur um dem Betrachter ein neues Rätsel aufzugeben.

Neo Rauch (geb. 1960 in Leipzig) studierte an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, seit 2009 ist er dort als Gastprofessor tätig.

Seit 1993 waren Neo Rauchs Arbeiten in zahlreichen Ausstellungen zu sehen:
Einzelaustellungen u.a. im Haus der Kunst, München (2001), in der Kunsthalle Zürich (2001), in der Albertina, Wien (2004), im Kunstmuseum Wolfsburg (2006), im Metropolitan Museum of Art, New York (2007) und im Museum Frieder Burda (2011). 2010 richtete die Pinakothek der Moderne, München und das Museum der bildenden Künste Leipzig dem Maler eine Retrospektive aus, in der in zwei parallelen Einzelausstellungen ca. 120 Werke des Künsters zu sehen waren. Die erte Einzelausstellung in Belgien wurde 2013 im BOZAR – Palais des Beaux-Arts in Brüssel mit Werken des Künstlers aus den Jahren 1993 bis 2012 eröffnet. 

 

 


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