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Karl-Heinz Adler
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19. August - 30. Oktober 2021
Galerie EIGEN + ART Berlin

Film & Edit: TABLEAU Films (Matthias Maercks)



Karl-Heinz Adler, geboren 1927 in Remtengrün (Vogtland), zählt zu den wichtigsten Vertretern der konkreten Nachkriegs-Avantgarde. Seine mini- malistischen, geometrisch inspirierten Zeichnungen, Collagen, Faltungen und skulpturalen Objekte, aber auch die gemeinsam mit Friedrich Kracht entwickelten baugebundenen Werke werden seit geraumer Zeit in Kunst- und Architektur- kreisen international wiederentdeckt und als künstlerische Pionierleistungen gewürdigt.

Angeregt durch seine Lehrtätigkeit in der Architekturabteilung an der Dresdner Technischen Hochschule, begann Adler 1957 mit seinen ersten Collagen, den „Schichtungen“. Ende der Sechziger übertrug der Künstler das Grundprinzip der Serialität ins Zeichnerische: ab 1967 entstehen seine „Seriellen Lineaturen“ – großformatige, präzise Werke, in denen Strahlen und Ellipsenformen zu ausgeklügelten Kompositionen verdichtet werden, die teilweise an Wogen oder Strudeln erinnern. Ihre hypnotisierende Visualität entsteht jedoch nicht aus einer expressiven Haltung, sondern deren Gegenteil – kontrollierter Rhythmik, die in einem kühlen ingenieurhaften Ansatz gründet. Das strenge serielle Prinzip ermöglicht eine unendliche reiche Bildproduktion. Hier liegt auch der Schlüssel, um zu verstehen, warum Adlers zwei- und dreidimensionales Werk gerade heute für eine jüngere Generation von Künstlerinnen und Künstlern so relevant und inspirierend ist. Repetition, Modulation, die Effekte minimaler Verschiebungen von Rastern, sowie die bewusste Verneinung des Produzenten zugunsten einer technizistisch-kühlen Gesamt-Ästhetik sind auch zentrale Bausteine der elektronischen Kultur, die sich in den Neunzigern entfaltete und welche die westliche Kultur in vielen Bereichen bis heute prägt.

Dieses uns heute so vertraute ästhetische Programm lässt Adlers Formstein- programm aus den späten Sechzigern und den Siebzigern paradoxerweise historisch und unverbraucht zugleich erscheinen. Adler durchbrach die Monotonie der Spätmoderne mit den Mitteln der Kunst und brachte den Brutalismus zum Tanzen. Die von ihm entworfenen zwölf Reliefmodule ermöglichten den Aufbau von Strukturen und Kompositionen verschiedenen Charakters. Durch Reihung, Drehung, Spiegelung sowie durch Permutation der unterschiedlich eingesetzten, differenzierten seriellen Elemente entstanden auf Grund durchgehender, das Raster überspielende, scharfkantige Linien Formsteinwände, die theoretisch unendlich erweiterbar waren. Der Künstler selbst prägte in den Siebzigern den Begriff des „funktionalen Ornaments“. Doch die frei stehendenden und zweiseitig konzipierten Wände überwinden ihren ornamentalen oder architektonischen Charakter zugunsten einer komplexeren Kategorie der Raumbildung. Der renommierte Architekturtheoretiker Niklas Maak spricht im Bezug auf die Formsteinwände etwa von „Bauskulpturen“ und „freier Kunst – getarnt als Fassadengestaltung“. Adler folgte in seiner künstlerisch- angewandten Arbeit dem Bauhaus-Anspruch, die Lebenswelt der Menschen mithilfe von Architektur und Kunst zu ordnen und zu verbessern und ging gleichzeitig darüber hinaus. In diesen rhythmisierten Oberflächen verschmolzen Bauhaus-Denken, Konstruktivismus-Traditionen, moderne Ornamentik- Auffassung und Minimal Art zu einer neuartigen Synthese.

Als einzelgängerischer Künstler, der in seiner Praxis das Bauhaus-Erbe mit der ästhetischen Weltsprache der konkreten Kunst unter schwierigen kultur- politischen Bedingungen in der DDR zu verbinden wusste, kommt Adler in der neueren Kunstgeschichte eine Ausnahmestellung zu, auch wenn sich sein Œuvre mit dem der Zeitgenossen Sol LeWitt oder Max Bill assoziieren lässt. Adlers Kunst ist beseelt vom kompromisslosen Formwillen und der Durchsetzungskraft der Avantgarde. Das Spielerische und das Strenge, Praxis und Theorie, Schwere und Leichtigkeit werden in eine faszinierende Balance gebracht. Als „produzierende Systeme“ ist ihnen Erneuerung und Variabilität in den künstlerischen Quellcode eingeschrieben. Daraus ziehen sie ihre Aktualität und unheimliche Präsenz.

Kito Nedo

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