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Christine Hill
Attention Economy
Galerie EIGEN + ART Leipzig
Ausstellung: 23. Februar – 30. März 2019

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„Wer ist Künstler? Jemand, der ein Bild malt, ein Gedicht schreibt…? Warum separieren wir Künstler – oder Intellektuelle – von uns anderen Menschen?“

— J. Krishnamurti


 „Er begann, mir Fragen zu stellen, so als habe er gelernt, sich selbst dazu anzuhalten, dies zu tun, und ich fragte mich, wer oder was ihm das beigebracht hatte – etwas, das viele Menschen ihr Leben lang nicht lernen.“

— Rachel Cusk,Outline

 
In Attention Economy, Christine Hills achter Einzelausstellung für die Galerie EIGEN + ART, lernen wir einen internen Aspekt ihrer Arbeit kennen: den Denkprozess der Künstlerin. Die Identität heutiger Künstler*innen hat sich im Laufe des vergangenen Jahrhunderts zu einer hoch verdichteten Tautologie entwickelt – Künstler*in ist, wer Kunst macht. Bei Hill verwandelt die Hand der Künstlerin jedes geeignete Thema oder Materialin ein Werk, das kreativer Betrachtung würdig ist.

Attention Economy offenbart in Hills Praxis eine Wendung nach innen. Während der 26 Tage dauernden Ausstellung präsentiert Hill täglich jeweils zwei bis dahin unveröffentlichte Zeichnungen im DIN-A4-Format. Dabei fokussiert sich die Künstlerin auf eine Auswahl zeitgemäßer Reflexionen und Ideen, die sie der Reihe nach auf einem eigens angefertigten Podium präsentiert, wodurch sorgfältiges Studieren möglich wird. In dem für Hill typischen Zeichenstil behandeln die an lose Notizbuchblättererinnernden Zeichnungen sowohl hehre – Literatur, kulturelles Erbe, Politik, Erinnerung – als auch profane Themen – Radiokommentare, zwischenmenschliche Verhandlungen, Hausarbeit, Netflix-Überangebot. 

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Einer nach dem anderen erklimmen die Besucher*innen das Podium und richten dabei ihre Aufmerksamkeit auf ein sorgfältig zusammengestelltes Register kultureller Belange. Solange sie sich an diesem intimen Ort aufhalten, sind jene auf dem Podium ebenfalls Teil der Darbietung. Indem die Installation unseren Hang zu blind-andächtiger Interaktion mit Bildschirmen nutzt und auf diese Weise einen unerwarteten Performance-Raum erzeugt, konfrontiert sie die Besucher*innen mit Hills außergewöhnlicherMontage der täglichen Informationsflut, die auf einen durch zwei Zeichnungen konstituierten Raum der Kontemplation einstürzt.

Während ihrer fast 30-jährigen künstlerischen Laufbahn entwickelte Hill durch die produktive Vermischung von Kunst, Leben und allem, was dazwischen liegt, eine auktoriale Position. Sie verbindet eine breite Palette von Unternehmensmodellen, performativen Formaten und vermeintlich beruflichen Alltagstätigkeiten, wobei ihre Aktivitäten deutlich mehr umfassen als die sogenannte „künstlerische Praxis“. Allerdings bleiben ihre großformatigen, sorgfältig produzierten „Organizational Ventures“ – Environments in Museen, öffentlichen Räumen und Privatgalerien – die einprägsamsten und bekanntesten Resultate ihres kreativen Prozesses. Attention Economyoffenbart die kognitive Arbeit, die hinter diesenausgestellten Werken steckt.

Da die Rolle von Künstler*innen und Intellektuellen gegenwärtig immer komplexer wird, ermuntert Christine Hill uns, über die eigene Identität, über komplexe Ideen und deren tägliche Vermittlung neu nachzudenken. Der Prozess des künstlerischen Schaffens, so scheint sie uns sagen zu wollen, gründet auf ständigem Lernen. Lassen wir uns überraschen, was wir entlang des Weges von ihr lernen können.

 

Text von Prem Krishnamurthy

Übersetzung von Frank Süßdorf


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