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Brett Charles Seiler
so many pictures, so little memories

14. September – 26. Oktober 2024
Galerie EIGEN + Art Leipzig

Übersicht der Arbeiten als PDF

Ausstellungsvideo Brett Seiler // Galerie EIGEN + ART Leipzig 2024
Musik: Alex Ant, pixabay.com



Between Pathos and Seduction
Love potions
solve no mysteries,
provide no comment
on the unspoken.
Our lives tremble
between pathos and seduction.
Our inhibitions
force us to be equal.
We swallow hard
black love potions
from a golden glass.
New language beckons us.
Its dialect present.
Intimate.
Through my eyes
focused as pure, naked light,
fixed on you like magic,
clarity. I see risks.
Regrets? There will be none.
Let some wonder,
some worry, some accuse.
Let you and I know
the tenderness
only we can bear.

Essex Hemphill, Ceremonies, 1992

Brett Charles Seiler
so many pictures, so little memories

Freunde, Liebhabende und Fremde treffen sich in den lustvoll leuchtenden Gemälden Brett Charles Seilers in Atelierräumen, auf provisorischen Bühnen, die von einem Zwielicht der Intimität durchdrungen sind. Wie bei einem Blick durch das Fenster in Seilers Atelier in Kapstadt entfalten sich die Szenen seiner Gemälde als Momentaufnahmen im Strahlen ihrer zwischenmenschlichen Begegnungen. Schlagschatten stehen in scharfem Kontrast zu hellen Lichtfeldern, während die Böden und Wände von flüchtigen menschlichen Silhouetten belebt werden. In diesen Zwischenräumen wird das Emotionale spürbar, nicht durch große Gesten, sondern durch die subtilen, beinahe vergänglichen Interaktionen, die sich zwischen den zarten Umrissen in Leuchtbaken vor der Dunkelheit ereignen. Seilers Werke sind intime Erkundungen des Menschlichen und zugleich Ausdruck queerer Identität und Erfahrung. Sie entstehen am Übergang von Fotografie zur Malerei als Collagen aus persönlichen Fragmenten, die zu Erfahrungen von Zärtlichkeit, Nähe und Abwesenheit verschmelzen.

In der Rauminstallation finden die neuen Gemälde, Klappbilder, gepackten Koffer sowie bemalte Äpfel, Cock-Cola-Flaschen und Zigaretten aus Holz erzählerisch zusammen. Sie wirken wie faszinierende Seiten eines fiktiven Tagebuchs des Künstlers, das poetische und intime Momente festhält. Die räumliche Anordnung von Holzaufstellern, offenen Koffern und fragilen Klapptafeln zeigt Menschen, die sich begegnen, umschlingen und nebeneinander liegen, um dem Atem und den Geräuschen des anderen zu lauschen. Beim Aufklappen des Scharniers entzweien sich die Personen wieder. Die präsenten Botschaften Seilers, wie „I have so many pictures, so little memories“ oder „Please tell Mom I found him“, wirken wie zarte Echos – ungreifbare, emotionale Momente im Raum. Auf den farbverschmierten Holzböden seiner größeren Gemälde bewegen sich halbnackte Figuren wie Reisende zwischen Farbeimern, Leinwänden, Pinseln, Koffern und Sitzmöbeln. An den weißschimmernden Wänden sind Fotografien männlicher Körper und Köpfe angebracht. Die in Erdtönen gehaltenen Farbflächen stehen im Kontrast zu den flüchtigen Linien, die das schemenhafte Licht um die Figuren zieht, und verleihen ihnen eine kulissenhafte Wirkung. Seiler erweitert in der Ausstellung die Komplexität seiner neuen Werke durch zarte Interieurs, wie bewegliche Elemente eines hell beleuchteten Bühnenbildes. Einige seiner Werke sind mit Collagen aus Fotokopien, poetischen Texten und Cutouts auf Papprückwänden ausgestattet, die nur für die Augen der Eingeweihten bestimmt sind. Diese Rückwände geben Einblicke in seine künstlerische Praxis. Seiler beginnt oft mit Porträtfotografien von Menschen, denen er in seinem Studio begegnet. Diese vervielfältigt er als Fotokopien, die er in unzähligen Stapeln im Atelier verteilt. So vermischen sie sich mit anderen Bildern und dienen als Ausgangspunkt für seine collageartigen Malereien, in denen die Grenzen der Medien verschwimmen.

Eine dichte, fast undurchdringliche Atmosphäre in Seilers Gemälden wird durch helle, gleißende Weißtöne durchbrochen. Diese stehen in einem spannungsgeladenen Kontrast zum tiefen, kraftvollen Schwarz des Bitumens. Das mineralölbasierte Material, das üblicherweise wegen seiner Widerstandsfähigkeit und Dichte im Bauwesen geschätzt wird, verwandelt Seiler in eine malerische Substanz. Die mit Bitumen überzogenen Leinwände verleihen seinen Werken damit eine schwere, fast skulpturale Textur und rohe Unmittelbarkeit. Es entsteht eine greifbare und zugleich abweisende Präsenz, die die intime sowie sinnliche Dimension seiner Themen verstärkt. Für den Künstler ist das Arbeiten mit Bitumen eine physische Erfahrung, fast wie das Tragen von Designerkleidung. Durch die Kombination des dichten, viskosen Bitumens mit der glatten, strahlenden Oberfläche handelsüblicher Wandfarbe entsteht eine einzigartige Spannung zwischen den verschiedenen Schichten der Komposition. Diese Nebeneinanderstellung der Oberflächen intensiviert die expressive Tiefe seiner Werke, in denen Lust und Intimität, Vertrautheit und Verlust eindrucksvoll verwoben sind.

Die Intimität und Flüchtigkeit Seilers Szenen resultieren aus seinem spontanen, prozessualen Arbeitsstil, der die flüchtigen Momente des Alltags und die oft unausgesprochenen Emotionen zwischen seinen Figuren einfängt. Seine bewusste Materialwahl betont die fragile Balance zwischen An- und Abwesenheit und spiegelt seine nostalgische, oft intensive Auseinandersetzung mit Erinnerung und Vergessen wider. In ihnen zeigt sich eine „nostalgic Angst“, wie der Künstler beschreibt – eine Mischung aus Nostalgie und emotionaler Tiefe, die sowohl die Vergänglichkeit der Erinnerungen als auch die Sehnsucht nach dem, was verloren ging, einfängt. Seilers Werke sind dabei weit mehr als Momentaufnahmen zwischenmenschlicher Akte. Als stille und kraftvolle Meditationen über die Vergänglichkeit des Lebens wirken diese wie bleibende Erinnerungen der Vergangenheit, eine ewige Suche nach dem Unwiederbringlichen und dem, was von den flüchtigen Momenten bleibt, wenn die hellen Augenblicke verschwinden und in die tiefen Schatten der eigenen Identität eintauchen.

Text von Alexander Wilmschen, 2024

Hier finden Sie den Ausstellungsflyer

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