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Digitale Demenz (Artificial Intelligence)
kuratiert von Thibaut de Ruyter

Jedes Zeitalter lebt mit seinen eigenen (naiven) Hoffnungen und (unbewältigten) Ängsten. Wir sind von ökologischen, politischen, ökonomischen oder wissenschaftlichen Entwicklungen umgeben – und dem Unheil, das damit einhergehen kann –, und wir wissen nie, wann oder wo sich die nächste Katastrophe ereignen wird.

Seitdem kürzlich ein Blockbuster über den Mathematiker Alan Turing (The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben, 2014) und ein poetischer Film von Spike Jonze (Her, 2013) in die Kinos kamen, spricht man wieder über künstliche Intelligenz. Turing zählte zu den ersten Wissenschaftlern, welche das Konzept des Computers entwickelten, und nach ihm ist auch ein Test für künstliche Intelligenz benannt. Zugleich haben wir uns daran gewöhnt, mit unseren Smartphones zu reden, und wir erwarten, dass sie antworten. Im Film Her verliebt sich beispielsweise Joaquin Phoenix in die Stimme seines Computers. Bereits 1966 haben wir Deep Blue, den von IBM entwickelten Schachcomputer, der Garri Kasparow besiegte, als geschichtlichen Wendepunkt angesehen. Die Menschheit unterlag einer Maschine und begann zu fragen: „Wann werden Computer die Macht übernehmen?". Und vor kurzem stellte Stephen Hawking in einem Interview fest, dass „die völlige Ausbildung der künstlichen Intelligenz das Ende des Menschengeschlechts bedeuten könnte". Wie immer im Fall von technischen Entwicklungen sind wir von ihrem Potenzial fasziniert und fürchten es zugleich. Denken Sie nur an HAL 9000, den Computer in 2001: Odyssee im Weltraum (1968), der sich entschließt, die Besatzung des von ihm gesteuerten Raumschiffes zu töten. Science Fiction teilen uns mit, dass wenn Computer denken können, sie sich auch unerwartet gegen uns wenden können.

Die Ausstellung Digitale Demenz (Artificial Intelligence) erkundet die Beziehung zwischen zeitgenössischer Kunst und künstlicher Intelligenz. Die Geschichte des Computers und der heute berühmten Wissenschaftler, die ihn möglich machten, wird anhand von Suzanne Treisters umfangreichen Untersuchungen zu Personen wie Alan Turing vorgestellt, wobei es die eine oder andere Überraschung gibt. Eine semiologische Interpretation der technischen Revolution findet sich in den Arbeiten von Erik Bünger, während Julien Prévieux mit sehr reduzierten Mitteln die erste Schach-Niederlage der Menschheit gegen einen Computer darstellt. Doch verfügen heutzutage Maschinen auch über einen eigenen Willen, so wie der „Roboter", der von der Künstlerkollektive !Mediengruppe Bitnik geschaffen wurde und nach dem Zufallsprinzip illegale Waren im Darknet (den versteckten und privaten Netzwerken des Internet) kauft. Eine besondere, von Brendan Howell für die Ausstellung entwickelte Web-Site funktioniert gleichermaßen als Katalog und Ausstellungs-Dokumentation, aber auch als Materialquelle über künstliche Intelligenz mit Links, Archiven und (generativen) Verrücktheiten. Nicht zuletzt ist die poetische Wirklichkeit der Kommunikation mit einem Computer in der ungewöhnlichen Chat-Software zu erkennen, die Chris Marker bereits 1985 entwickelte und die die Besucher in die Lage versetzt, sich mit einer Maschine zu unterhalten.

Mit Computern zu kommunizieren, sie eine Wahl treffen zu lassen und zu akzeptieren, dass sie einen Verstand, Ideen, Gedanken und vielleicht sogar eigene Gefühle haben – all das verbindet sich schließlich zu einer einfachen Frage: Wo endet die Wissenschaft und wo beginnt die Fiktion?

Mit freundlicher Unterstützung von CORE und dem Oldenburger Computer-Museum

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