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Stef Heidhues I Igor Hosnedl
11. März - 15. April 2023
Galerie EIGEN + ART Leipzig

In Stef Heidhues’ aktueller Ausstellung fällt auf, dass die Präsentation ihrer neuen Arbeiten scheinbar einen anderen Ansatz verfolgt, als es sonst der Fall bei ihr ist. Anders als mit einem "begehbaren Bild“ werden die Besucher:innen hier mit einer Art durchdachten Werkschau konfrontiert. Einzeln konzipierte Arbeiten positionieren sich neben solchen, die seriell angelegt sind und die diese Serialität auch in das Raumgefüge einbringen. Heidhues’ Arbeiten enthalten oft Formzitate aus dem Alltag und an funktionale Objekte angelehnt. Sie entstehen aus spielerisch-poetischen Assoziationen und aus einem materialbezogenen und experimentellen Prozess heraus. Teilweise bindet Stef Heidhues industrielle Elemente ein, deren leere, „unschuldige“ Flächen sie mit Anspielungen und klugem Ausloten ästhetischer Möglichkeiten bespielt.

So etwa bei der Panel Serie (2022), Wandobjekte die Regalböden aus Schwerlastregalen als Basis haben, von denen aus Formelemente aus eingefärbtem Acrystall, Glas und Stahl in modularen Systemen münden, die auf einer Mischung aus formaler Strenge und kalkuliertem Zufall fußen.

Oder auch bei den prägnanten monochromen, kleinformatigen Flächen, die mit ihren Titeln mud, orange fluo oder light yellow auf Lidschattenpaletten anspielen. Es finden sich Neonlichter und übereinander geschichtete Glasscheiben – und schließlich eine großflächige, schwarze Gummimatte, die unter dem suggestiven Titel Slot Machine in ihrer konstruktivistischen Erscheinung mittels Linie und Fläche auf eine Art von Architektur- oder Objektdarstellung rekurriert und sich dann aus der Fläche in den Raum überträgt.

Das Ganze formiert sich um eine pointiert gesetzte Lichtarbeit im Zentrum des Raums, die in beinahe tänzerischer Art an einem Ringpaar von der Decke herabgestiegen zu sein scheint. Angesichts des Dialogs der Werke, der sich beim Durchschreiten der Ausstellung sukzessive entfaltet, schleicht sich das Gefühl ein, dass der Begriff Werkschau doch nicht ganz ausreicht. Und beim Verlassen des Raums ist es, als schreite man aus einem Bild heraus.

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Auf Igor Hosnedls Feld der Äquivalenz, wo Teile zersplittern, Flora und Fauna verschmelzen, die Zeit durcheinandergerät und die Tiefe untergraben wird, gibt es überall nur Oberfläche. Im Wechsel zwischen Überschuss und Mangel an Körperteilen, an menschlichen Gesten und Erkennungszeichen, wird die Vollendung einer Figur zwar in Aussicht gestellt, aber vorenthalten. Dieses Universum ist ein beharrlich zerbrochenes, das Asymmetrien zum Ausgleichen, zweideutige Bilder zum Aussöhnen und kognitive und physische Dissonanzen zum Auflösen anbietet. Obwohl dieses Gefühl beunruhigend ist, sowohl innerhalb als auch außerhalb eines narrativen Selbst zu sein, schafft es eine allgemeine, vertraute Atmosphäre von Ambivalenz und Undurchsichtigkeit.

Unklar ist, ob die – oft kopf- und organlosen – Fantasiewesen, die die düstere, puderige Bildoberflächen bevölkern, lebendig, tot oder beides sind. Sind sie in der Entstehung oder schon in Auflösung begriffen? Wenn die Bilder des Künstlers Träumen entstammen, dann entstanden sie genau genommen zwischen den Träumen, in jenem kurzen Intervall, wo der Taumel neue Kraft schöpft. Zusammen formen die Bilder so etwas wie ein fragmentarisches, paranoides Traumwerk, in dem bestimmte Symbole und Bedrohungen immer wieder auftauchen und nie Auflösung erfahren: die enge Kammer, die drohende oder tatsächliche Kastration, die Hand, die das Messer nicht rechtzeitig ergreifen kann, der Beutel, der um jeden Preis bewacht werden muss, oder der maskierte Golem, der dennoch erkannt wird.

Hosnedl malt mit gemahlenen Pigmenten und Leim, seine gemalte Szenen sind in aseptischen Räumen angesiedelt, die Ateliers oder Reparaturwerkstätten sein könnten; ebenso könnte es sich um Leichenschauhäuser oder Operationssäle handeln. Durch das Ausschließen äußerer Reize schenken sie der anstehenden Aufgabe ihre volle Aufmerksamkeit. Überall zarte Nervenenden: ausgefranste Fasern, verworrene Kabel, eingerollte Ranken, gespaltene Spitzen, durstige Wurzeln. Überall Amputation und Zerstückelung. Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die Schnitte immer sauber sind. Dies ist ein blutleeres Reich. Das fleischige Material ist weniger tierisch, mehr pflanzlich – die Schnittenden weisen konzentrische Kreise auf, wie die Ringe eines Baumes oder Xylem und Phloem einer Karotte.

Die Hybride aus amputierten Gliedmaßen und Ranken in Hosnedls Stillleben stehen zur sicheren Aufbewahrung häufig in kleinen Wassergläsern auf einer Tischplatte: Sie lassen aufeine Vermehrung in der Zukunft hoffen. Neue Exemplare werden aus dem verletzten Elternbestand gezüchtet, der bereits Anzeichen von Regeneration zeigt. Der unerbittliche Lebensdrang bricht sich Bahn.

Der Leim, auf dem Hosnedl seine gemahlenen Formen, ruhenden Körper und zeitlichen Verdichtungen verteilt und ausfertigt, wird nicht zum Ort der Reparatur, sondern des Anhaftens. Er wird zur Petrischale, in der das Zusammenwachsen der Anderen, eine erhabene Vermischung und der Bau eines fantastischen Cyborgs stattfinden können. Was wollen wir daraus machen?

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