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Kristina Schuldt
Sans Souci
5. November - 12. Dezember 2020
Galerie EIGEN + ART Berlin

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Interview mit Kristina Schuldt

Kristina Schuldts Arbeiten sind großformatig, farbenfreudig, dynamisch und kraftvoll. Vexierbildhaft werden scheinbare Widersprüche zusammengebracht: Figuren befinden sich gleichermaßen im Kampf wie im Spiel, sind dominant und werden dominiert, tragen männliche wie weibliche Züge. Vorbilder aus der Kunstgeschichte prallen auf Motive und Ästhetiken der digitalen Welt. In den Malereien von Schuldt haben menschliche Erfahrungen und Gefühle eine Gestalt bekommen, in der Konflikte ausgetragen werden, die metaphorisch weit darüber hinausreichen. Einige Nachfragen an die Künstlerin:

Warum malen Sie?
Darauf hätte ich auch gerne eine Antwort!

Haben Sie jemals ein anderes Medium in Betracht gezogen – außer die Malerei?
Ich habe schon Installationen gemacht. Weil mein Großvater war Bildhauer, außerdem plane ich noch immer, mich auch einmal in die Bildhauerei vorzuwagen. Ich spüre, dass ich das Bedürfnis danach habe, meine Formen in 3D umzusetzen. Aber es ist schwierig, etwas derart Fragmentiertes in den Raum zu holen.

Wie entstehen Ihre Bilder? Machen Sie Skizzen?
Nein, es gibt keine Skizzen. Und es ist klar, dass das Erste, was ich auf ein Bild male, nicht dort bleiben wird. Das ist auch das Schöne für mich am Malen. Ich vertraue darauf, dass vorherbestimmt ist, was auf dem Bild zu sehen sein wird.

Was malen Sie als Erstes auf ein Bild?
Manchmal male ich einfach Rauten. Oder Kreise.

Was ist für Sie das Einzigartige an der Malerei?
Mich reizt an der Malerei das Zusammenspiel von Zufällen, dass ich wirklich die alleinige Schöpferin bin, und der Arbeitsprozess. Ich male deshalb so groß, weil es mir das Gefühl gibt, überwältigt zu werden, herausgefordert zu sein. Mein Bild wird dann zu einem Gegner, der mich wirklich fertig machen kann.

Sie malen gerade an dem Bild „Muse". In welcher Weise hat es Sie herausgefordert?
Wenn ich male, kämpfe ich mit dem Bild. Denn man kann nie das ganze Bild bearbeiten, man kann immer nur angreifen, dicht herangehen und einen Teil malen, und dann nimmt man wieder Abstand und das Bild schlägt zurück. So geht das immer hin und her.
In dem Bild „Muse" wird der Kampf zum Motiv. Es geht um Malerei. Der Maler wird von seiner Muse überwältigt. Aber vielleicht ist es auch nur ein Rausch, und er bildet sich nur ein, angegriffen zu werden.

Wie persönlich sind Ihre Arbeiten?
Sehr persönlich. Die Motive haben viel mit mir zu tun. Das worum es geht, findet meistens auch zeitgleich statt. Bei dem Bild „Muse" geht es zum Beispiel auch darum, dass man nicht zum Malen kommt, dass immer etwas dazwischen kommt, man abgehalten wird. Ich versuche meine Erfahrung dann aber zu übersetzen in ein Bild, das auch für philosophische oder gesellschaftliche Probleme steht, die es in größeren Zusammenhängen gibt. Und nicht nur in meinem Atelieralltag.

Hier wird also das Verhältnis von Muse und Künstler angewandt auf die kleinen Alltagsschwierigkeiten beim Malen? Aber Sie haben keine Künstlerin gemalt und einen Musenmann, sondern sind dem klassischen Geschlechterverhältnis treu geblieben? Gibt es dafür einen Grund?
Meine Figuren haben eigentlich kein so eindeutiges Geschlecht. Es könnte ein Maler sein, aber es könnte auch ich sein. Die Figuren könnten aber auch Gedanken sein, sie müssen keine Menschen sein.

Es gibt fast nie eine geschlossene Figur in Ihrem Werk, sondern sie sind immer im Begriff, sich irgendwohin zu entwickeln, zu verändern. Körperteile sind zerstreut, verdoppelt, streben voneinander weg und dann wieder zueinander hin.
Das ist eine Vorliebe von mir. Ich mag es, wenn man nicht weiß, welches Bein zu welcher Figur gehört.

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Viele Ihrer Frauenfiguren tragen kurze Faltenröckchen: Denken Sie dabei an einen Tennisrock oder an einen Schulmädchenrock?
Das könnte beides sein. Ich male auch Blumen wie diese Röcke. Natürlich stehen die Röcke für etwas Weibliches, für etwas Verspieltes, für etwas Jugendliches. Denn meine Figuren sind noch nicht erwachsen. Alles ist noch unklar, sie sind in einer Phase, wo sie Blödsinn machen können, ohne Verantwortung dafür übernehmen zu müssen. Deshalb sind sie unvernünftig und unreif. Sie stehen für unreife Gedanken.

Das Bild, was man als Kampf sieht, ist also eigentlich auch ein Spiel?
Genau, es könnte eine Liebes- und Kampfszene zugleich sein.

Ihre Titel sind immer sehr präzise. Viele Titelgebungen von Künstler*innen machen deren Bilder uneindeutiger, als sie sind, verrätseln sie manchmal sogar. Ihre Titel hingegen geben den Bildern eine neue Prägnanz und Evidenz. Man versteht die Bilder dadurch besser. Wie wichtig sind denn die Titel für Ihre Arbeiten?
Ein französischer Maler meinte einmal, der Titel des Bildes sei wie eine zusätzliche Farbe. Der Titel ist enorm wichtig, weil er einen nochmal um die Ecke denken lässt.

Sie arbeiten überwiegend mit großen Formaten, worin besteht dann der Reiz an kleinen Formaten?
Ich nehme die kleineren Bilder wenig ernst. Aber sie entwickeln sich dann meistens zu fiesen kleinen Wadenbeißern. Weil da alles so schnell geht, zu schnell. Das macht es so schwer, kleine Bilder zu malen. Man hat weniger Zeit, über sie nachzudenken. Wenn man größere Flächen malt und immer wieder zurücktritt, hat man hingegen relativ viel Zeit. Die Bilder werden dann immer komplexer. Kleine Bilder eignen sich hingegen eher, auch mal was Neues auszuprobieren.

Übermalen Sie manchmal ein fertiges Bild?
Als ‚fertig' bezeichne ich Bilder nur selten. Je länger sie stehen, desto größer wird der Reiz, sie zu übermalen.

Ich sehe in Ihren Bildern ästhetisch viele Referenzen zur modernen Kunst, besonders auch zum Kubismus. Wie würden Sie ihr Verhältnis zur modernen Kunst charakterisieren?
Für mich ist die moderne Kunst eine Stunde Null, alles andere fand entweder davor oder danach statt. Als Jugendliche habe ich mich ausschließlich mit moderner Kunst beschäftigt, etwas anderes habe ich gar nicht ernst genommen. Mein größtes Vorbild war und ist natürlich Fernand Léger, das kann ich ja nicht abstreiten. Das scheine ich irgendwie verinnerlicht zu haben, denn meistens merke ich erst im Nachhinein, dass es einen Einfluss gab.

Nun hat die Moderne Kunst sämtliche große Museen der Welt besiedelt, man kann sie als Poster und Taschendrucke kaufen und sich als Magnete an Kühlschranktüren pinnen – dadurch entsteht auch ein gewisser Überdruss. Ist es Ihnen ein Anliegen, wieder einen frischen Blick auf eine z.B. kubistische Ästhetik zu werfen?
Ich versuche einfach eine Form für Dinge zu finden, die innerlich ablaufen. Und wenn es passt, dann passt es. Ich probiere einfach aus, will nichts kontrollieren.

Soll Ihre Kunst die Betrachter*innen verstören, irritieren, provozieren – oder gefallen?
Ich blende im Malprozess völlig aus, dass die Arbeiten irgendwann gesehen werden. Natürlich freue ich mich, wenn die Bilder dann in die Welt hinausgehen und das Leben der Menschen verändern. Aber es ist nicht mein Ziel. Für mich ist jede Malerei ein Spiel, das irgendwann beendet ist, und danach fange ich ein neues an. Das ist vielleicht etwas respektlos oder ignorant, aber der Betrachter interessiert mich nicht wirklich.

Ich stelle die Frage auch deshalb, weil man heute und besonders in den Sozialen Medien sehr viel mehr und in nahezu allen Bereichen des Lebens verschiedenen Betrachter*innen ausgesetzt ist. Diese bewerten durchaus auch, indem sie Likes geben oder Kommentare hinterlassen. Sie selbst sind auch auf Instagram – wird es da nicht erschwert, im Atelier die Betrachter*innen wieder auszublenden?
Das stimmt. Heute ist immer noch jemand dabei, sitzt im Nacken. Und ich versuche dieses Gefühl auch in die Bilder einzubauen, als ein bläuliches Licht, das einen beobachtet, wie man es von Computern oder Smartphones kennt.

Vielfach finden z.B. das Smartphone oder andere Effekte aus der digitalen Kultur wie Verpixelungen oder Ladebalken Eingang in Ihre Arbeit. Was erhoffen Sie sich von der Konfrontation dieser popkulturellen Motive mit der Ästhetik moderner Kunst?
Um 2014 begann ich auf Papier so etwas wie eine Requisitensammlung anzulegen, die ich recht chaotisch auf dem Atelierboden aufbewahre. Darunter sind neben verschiedenen Schuhen, Köpfen, Händen, Büchern auch Smartphones. Es gefällt mir, wenn es einen Zusammenprall dieser Gegenstände aus verschiedenen Sphären gibt.

Wie humorvoll sind Ihre Arbeiten?
Ich kann in allem etwas Witziges sehen. Deshalb sind meine Arbeiten auf jeden Fall auch humorvoll. Witzig wird es immer dann, wenn man eine Sache von verschiedenen Seiten betrachtet, man aber eigentlich nicht mehr involviert ist.

Wie politisch ist Ihre Kunst?
Gar nicht.

Was an Ihrer Arbeit ist intuitiv, was ist konzeptuell?
Meine Arbeit ist sehr intuitiv. Es gibt natürlich diese spezielle Körperform, die immer wieder auftaucht – aber sie gefällt mir eigentlich gar nicht. Ich kämpfe die ganze Zeit dagegen an und suche nach neuen Formen.

Das heißt, Ihnen missfällt Ihr eigenes Markenzeichen?
Man kann sich eben nicht immer gegen alles wehren.

Wann ist es Ihnen das letzte Mal gelungen, eine neue Form zu erobern?
Ich habe letztes Jahr angefangen, rechteckige Formen einzubauen, weil ich einen Ausdruck für das Männliche gesucht habe, auch wenn das jetzt vielleicht ein bisschen plump klingt.

Ihre Figuren sind sehr dominant, drücken durch ihre kräftige Form Stärke aus. Gleichzeitig werden sie vom Bildraum dominiert, manchmal sogar regelrecht beengt. Geht es Ihnen um dieses Spannungsverhältnis von Dominieren und Dominiertwerden?
Es geht immer um beides gleichzeitig. Das Leben ist ja auch so: Man versucht innerhalb von Grenzen immer wieder aufzubegehren.

Körper zerfallen und entgleisen, streben gleichzeitig aber wieder zueinander, um dann eine neue Form zu ergeben.
So fühlt man sich auch manchmal. So richtig zerfleddert – und dann muss man sich wiederfinden und zusammensetzen.

Auf vielen Ihrer Bilder gibt es Mauersteine: Sie kommen bunt und fröhlich daher, manchmal tanzen Figuren auf ihnen. Was sind das für Steine?
Der Ziegelstein steht für Stabilität. Häuser werden daraus gebaut, Pflastersteine bilden Straßen. Wenn Figuren über lose Steine marschieren, bedeutet das, dass alles in Schutt und Asche liegt. Ich habe die Ziegelsteine zeitweise auch als Symbol für iPhones verwendet.
Neben Ziegelsteinen stehen auch Säulen und Beine in meinen Arbeiten für das Stabile, das aber stets der Bedrohung ausgesetzt ist, instabil zu werden.

Sind Ihre Bilder eher direkt oder indirekt?
Das Direkte ist mir wichtig. Direkt bedeutet für mich, dass ich ganz bei dem Thema bleibe. Dass ich ernst meine, was ich mache.



Das Gespräch führte Annekathrin Kohout 

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