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Wir freuen uns, am 8. Juni 2023 von 17 - 21 Uhr gleich zwei Ausstellungen in der Leipziger Galerie EIGEN + ART zu eröffnen!
Natalie Paneng mit neuen Werken in ihrer weltweit ersten Einzelausstellung unter dem Titel Maze.
Und die Gruppenausstellung Mixed Media mit vier künstlerischen Positionen aus Leipzig, Berlin und Kapstadt: Malte Bartsch, Gabrielle Kruger, Maria Schumacher und Hanna Stiegeler.

1. Text zur Einzelausstellung Maze von Natalie Paneng
2. Text zur Gruppenausstellung Mixed Media - bitte runter scrollen.

Natalie Paneng
Maze
8. Juni - 19. August 2023

Über Natalie Paneng

Die Praxis der multidisziplinären Künstlerin und Weltenbildnerin Natalie Paneng ist es, sich in digitalen Welten neu zu erfinden. In diesen Welten wird der Körper der Künstlerin von seinen Zwängen erlöst und zur Ekstase getrieben, für sie ist das Spiel ein immer präsenter Freund, das Internet ihr grenzenloser Spielplatz.

Ich genieße eine Art Grenzenlosigkeit, die das Internet als Plattform möglich macht.
Das Internet ist ein Ort, wo ich nicht denselben Regeln und Kodexen wie im echten Leben folgen muss. Es gibt mir die Möglichkeit, komplett frei in meinen Erkundungen und Beiträgen zu sein. Ich kann in diesem Ort mehr Platz einnehmen und mich entscheiden, wie ich präsent sein möchte.

Natalie Paneng hat sich Fotografie und die Technik der Videografie selbst beigebracht, wobei sie sich hauptsächlich auf Selbstporträts konzentriert. Selbstporträts, die sie in einem ständigen Prozess weiterentwickelt, und sich selbst als verschiedene Persönlichkeiten und Charaktere darstellt.

Er[Sie] hat ihren/seinen Körper von diesen Zwängen erlöst. Er[Sie] spielt mit Zeit und Raum. [Ihr] Körper ist eine Nadel. Jetzt mischt er (sie) Geschichte mit ihrem Körper zusammen und macht es zu einem Spiel, das [ihrem] Körper gefällt.
(Binyavanga Wainaina, 2011)

Für Natalie:

Spielen ist politisch, weil es eine Ablehnung der Regeln und eine Form des Erkundens ist. Ich schaffe mir neue Territorien...Es ist wichtig für mich zu normalisieren, wer ich bin, damit ich mich authentisch in der Welt bewegen kann, aber ich will auch, dass andere diese Freiheit fühlen. Ich hoffe das dies dann zu einem Kreislauf wird, je mehr wir uns gesehen fühlen, desto mehr geben wir anderen das Gefühl, gesehen zu werden.
Geschrieben von Lindiwe Mngxitma für We Are Culture (2022).

Abstrakt

Es folgt ein Ausstellungstext in der Form einer Kurzgeschichte, der die Ideen und Provokationen von Natalie Paneng in ihrer Einzelausstellung MAZE, die ab dem 8. Juni 2023 in der Galerie EIGEN + ART zu sehen ist, auf den Punkt bringt.

Ein Lied des Eigensinns und des Ent(Machen)

Samā1 wusste nicht ganz, wie die Geschichte begann. Sie wusste nur, was ihr erzählt wurde – von der Autorität, den Professoren und den Politikern. Diese erzählten Geschichten darüber, wie sie entstanden war. Sie erzählten Geschichten über die Nebenflüsse, die ebbenden und fließenden Strömungen im Moment von Samās Geburt. Samā aber wusste auch ganz genau, konnte es nicht ignorieren, dass sich etwas falsch anfühlte über diese Geschichten, die alle erzählten, nicht nur darüber, wer sie war, sondern auch wer sie sein könnte. Sie wusste, dass tief in dem Inneren der Geschichten etwas fehlte, sie fühlte eine unerschütterliche Präsenz der Abwesenheit in diesen Geschichten.

Sie hatte sich immer unendlich und weitläufig gefühlt. Samā fühlte, dass sie mehr Ähnlichkeiten mit dem Kosmos und dem Ozean hatte als mit anderen Menschen. Sie war – ebbend, langsam tröpfelnd, strömend, Zeit und Raum durchquerend, vereinte Materie mit Bedeutung. Samā fühlte sich als hätte sie eine Bestimmung, diese Bestimmung wurde geboren in dem Moment, wo ihre Mutter ihr diesen Namen gab – „Samā“. Ein uralter Name mit vielerlei Bedeutung und Herkunft. Samā erwachte und reckte sich dem Sonnenlicht entgegen, das ihr Gesicht wärmte und hob sich aus dem Bett. Sie sammelte sich und erlöste sich aus dem Feld ihrer Träume - gähnte und streckte sich, und Wanda sich aus der Verstrickung ihrer Bettlaken heraus. Als sie ihren Schatten begrüßte, summte sie die Melodie des ersten Liedes, das sie je gehört hatte, das Lied, das ihre einst winzigen Ohren küsste und ihr die Welt vorstellte und sie der Welt. Ihre Mutter hatte es gesungen, als sie die kleine, gurrende Samā in ihren müden Händen wog, nach einer langen Nacht der Arbeit.

Es war ein Lied, das Samā kannte, seit sie auf der Welt war, ein Lied, das Samā oft in ihren Träumen besuchte. Das Lied folgte Samā, wo auch immer sie sich bewegte, es rief ihren Namen und stellte ihr Fragen in Form von Melodie und Musik. Es stellte Samā fragen über Haut und Körper, und Überfluss und Mangel, über das Sein und Abstraktion, darüber, wie es ist, ein „glitching“ (fehlerhafter) Körper zu sein, ebenso wie über Tod und Wiederauferstehung. Es kam nie alleine, dieses Lied und die Musik des Ent(Machens). Stattdessen brachte es mit sich immer drei Gestalten – Moipone, Lefifi und Bobedi. Samā betrachtete diese Gestalten als verkörperte Erweiterungen der Irrgarten der Existenz und Widersprüche, die auch in ihr selbst schlummerten.

Moipones Reise bestand darin, den Weg zu ebnen. Den Weg durch sanfte, freundliche Signale mit Hilfe von Rhythmus und Klang zu erleuchten, während Lefifi im Raum der Leere spielte und lebte, auf der Suche nach Botschaften und Zeichen im Schatten. Zwischen Moipones Licht und Lefifis Schatten befand sich Bobedi’s Heimat. Der Ort wo sie sich ihrer Dualität hingab und in der Weite des Ja-und-aber hüpfte, tänzelte und glichte. Bobedi erinnerte Samā an das letzte, was ihre Mutter zu ihr gesagt hatte: dass sie ein Teil von allem sei. Dass all die Atome, die sie waren, auch Teil der Luft waren, und des Windes und den Bäumen und der Erde. Dass sie auch in den Vögeln und Blumen, und den Libellen und den Kiefern, und den Wolken und den kleinen Lichtflecken, die man in Sonnenstrahlen sehen kann, lebt.

Samā sang schließlich die letzten Worte zu der Melodie ihres Liedes, das Lied des Eigensinns und des Ent(Machens) und beschwor durch ihren eigenen Atem, den Atem ihrer Mutter. Eigensinn als Praxis der Möglichkeiten genauso wie Eigensinn als eine reuelose, andauernde Symphonie der Improvisation und Erforschung dessen, was sein könnte. Sie salbt ihre Haut mit einer Mischung aus Sheabutter und nährstoffreichen Ölen, sie folgt den Grenzen der fleischlichen Nervenenden ihres Seins und ein Lächeln breitet sich über ihrem Gesicht aus. Ein Lächeln, geformt aus dem Verhör des heutigen Morgens, Gedankenfetzen und Erinnerungen an einen Traum der letzten Nacht. In diesem Traum ist sie in einem Irrgarten und sucht nach Moipone, Lefifi und Bobedi. „Vielleicht ist ein Irrgarten mehr, als man auf den ersten Blick sieht?”, dachte sie bei sich. „Kann eine Person auch ein Irrgarten sein... und wenn ja, was würde das bedeuten?”, fuhr sie fort.

Samā dachte nach, über die Autorität, die Professoren und die Politiker, über was sie ihr erzählt hatten, wer sie war und wer sie sein könnte, und warum es nie im Einklang war mit dem Lied – dem Lied, das sie auf Schritt und Tritt verfolgte.
Die Autorität, die Professoren und die Politiker hatten versucht, sie in einen binären Körper zu verwandeln, obwohl sie doch eigentlich ein Körper einem Irrgarten gleich war; ein Körper in einer glitchenden (R)Evolution.
Mit jeder neuen Haut, die ihr wuchs, durchbrach sie die Zeit und die erstickende Logik des Entweder/Oder.

*Die im kursiv geschriebenen Texte, zitieren Werke von anderen Autor:innen

1 Samā: Ein arabischer Name, der Himmel bedeutet. Der Name lässt sich ableiten von den Wörtern Himmel und Multiplizität genauso wie vom Wort “Zuhören”. Zuhören in der Art, wie die Sufi (muslimische Mystiker) Musik hören und dazu singen, um Extase und mystische Trance herbeizurufen.

Bibliographie: Hartman, S.: Wayward Lives, Beautiful Experiments: Intimate Histories of Riotous Black Girls, Troublesome Women and Queer Radicals, W. W. Norton & Company, 2019. Neimanis, A. Hydrofeminism: Or, On Becoming a Body of Water. In Undutiful Daughters, New Directions in Feminist Thought and Practice., Ed. Gunkel, H. Nigianni, C & Söderbäck, F. New York: Palgrave Macmillan, 2012.
Russel, L.: Glitch Feminism: A Manifesto, Verso, 2020.

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Malte Bartsch, Gabrielle Kruger, Maria Schumacher, Hanna Stiegeler
Mixed Media
8. Juni − 19. August 2023

„Thanks for your visit“
Heidi Stecker

Diese Ausstellung stellt keine Gruppe vor, vielmehr präsentiert sie vier sehr individuelle Standpunkte und Perspektiven, die medial auf unsere Gegenwart reagieren.

Malte Bartsch, geboren 1984 in Braunschweig, lebt und arbeitet in Berlin. Seine sinnbildhaften Skulpturen, Installationen und Objekte rekurrieren oft auf physikalische Gesetze, aber diverse Verschiebungen verrücken das Gefüge der bekannten Ordnung. Leben und Technologie prallen aufeinander. Alltägliches, Erlebtes und Beobachtetes wird ins Groteske überführt, indem Materialien und Funktionen dem ursprünglichen Kontext entrissen, neu strukturiert, gar verkehrt werden.

Rund 170 Monde halten unser Planetensystem im Gleichgewicht. Würde ein einziger seine Umlaufbahn verändern, gerieten dann unsere Lebensbedingungen auf der Erde ins Wanken? Bei „Mond (chaotisch)“ bewegt sich auf einer LED-Fläche (150 cm × 150 cm) langsam ein solcher Trabant. Mit der Zeit ist eine Veränderung bemerkbar: Videoanimiert erscheint ein neuer Mond in unserem Sonnensystem. Unregelmäßig erscheinen Störsignale, die durch Fotowiderstände ein Videosignal aus der Balance bringen. Wir betrachten ein anscheinend stabiles System, aber das Chaos kann jederzeit ausbrechen.

Gabrielle Kruger, geboren 1993, lebt und arbeitet in Kapstadt und aktuell auch in Berlin. Die Künstlerin überführt die traditionelle europäische Landschaftsmalerei in die dritte Dimension: Statt überwältigende oder anheimelnde Kompositionen aus Gebirge, Wasserfall und Bäumen zu malen, zoomt sie auf Details, verzichtet auf Staffagefiguren und interpretiert die synthetischen Oberflächen als reale Räumlichkeit. Kruger konstruiert Landschaften und legt gleichzeitig ihre Schichten frei. Sie befestigt Acrylfarbstränge und -fäden am Grund, erdet sie quasi. Die trocknenden Farben heben sich von den Untergründen ab und wachsen zu Reliefs. Die Montagen täuschen Natur vor; „Natur“ wird durch menschliches Handeln überhaupt erst geschaffen, den menschlichen Produktionsbedürfnissen und Verwertungslogiken unterworfen. Natur und Malerei werden Objekt, Plastik und Performance.

Maria Schumacher, geboren 1983 in Bukarest, lebt und arbeitet in Leipzig. Ihre Bilder sind konzentrierte und zugleich flüchtige, andeutende Reflexionen von menschlichen Grundempfindungen: Sie spiegeln das Bedürfnis nach Nähe, Zuwendung, Körperlichkeit, aber auch Einsamkeit, Angst, Gefährdung. In der Abstraktion ist nicht immer zu erkennen, ob da nicht vielleicht Gewalt im Spiel ist. Die Materialien und Techniken können als Mischung von Knüpftechnik und Mosaik erscheinen. Ein textiles Element zieht sich durch die Werkgruppen. Die Serie „Outcome of the Pattern“ beispielsweise (2022, Eitempera auf Leinwand, 120/125 × 90 cm) zeigt innige Umarmungen von Paaren, die sich zu in der Abstraktion zunächst rätselhaften, aber dann doch erkennbaren sexuellen Handlungen steigern. Die Figuren sind auf Umrisse reduziert. Sie erinnern einerseits an frühe digitale Ästhetik, an die ersten Experimente aus den Anfängen der computergenerierten Kunst und Animation, andererseits an Stickereien auf Wolle aus notwendig vereinfachten Gesten.

Die Fotografin und Multimediakünstlerin Hanna Stiegeler lebt und arbeitet in Berlin. Sie sammelt banales, überall zirkulierendes bildhaftes und fotografisches Material aus dem Internet und von Verpackungen, aus Zeitschriften und Büchern. Stiegeler löst die Bilder aus ihrem Zusammenhang, dabei offenbaren sie ihre völlige Abstrusität und sind vielleicht insofern Abbilder der Absurdität unserer Welt. Wie ein roter Faden Sammlung ziehen sich runde Formen durch die Aufnahmen: Das mag eine Petrischale mit Kulturen samt Pipette sein – oder ist es eine Zelle bei künstlicher Befruchtung? Kombiniert mit einem (Kinder-)Handtuch mit Reh-Bambi-Aufdruck, zu entdecken sind auch Seifenblasen, florale Schwünge, ausschnitthaft die Füße einer Tänzerin oder Gymnastin mit Ball. Stiegeler komponiert und montiert die Aufnahmen zu Diptychen und Triptychen und ruft damit ganz hehre Figurationen der (religiösen) Kunst auf.

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