Stefan Guggisberg
Facing the Light
Galerie EIGEN + ART Berlin
2. November – 16. Dezember 2023
Film & Edit: TABLEAU Films (Matthias Maercks)
Music: "Out of the Dark" by Crowander "Slow Smoke" by Crowander
Source: Free Music Archive and license type: CC BY-NC German, with English subtitles
Dem Höhlengleichnis Platons zufolge sind wir Gefangene, die – an Beinen und Nacken fixiert – auf der Erde sitzen und ihr Leben lang auf eine Höhlenwand schauen: womöglich schwer zu akzeptieren in unseren scheinbar aufgeklärten Zeiten. Wer ist der Feind, der uns festhält? Oder ist es zu unserem eigenen Schutz?
Möglicherweise sind wir natürlich keine Gefangenen, sondern Befangene. Und unsere Angewiesenheit auf indirektes Licht ist gewissermaßen konstitutiv für unsere Erkenntnisfähigkeit. Die Augen wenigstens müssen vor hohen Intensitäten geschützt werden: Bei Blitzlicht blinzeln wir reflexartig. Und für die Betrachtung einer Sonnenfinsternis nutzen wir geschwärztes Glas.
In Malereien wie untitled (circulation) und untitled (melt) von Stefan Guggisberg lassen sich oft etwas wie Höhlenwände erkennen – oft. Etwas wie. Und zwischen den erdbraunen Gesteinsformationen funkeln vielfarbige Tüpfel. Eine Struktur organischer Einfärbungen und Trübungen überlagert das Relief. Kleine Wellen eines unbekannten Fluidums rhythmisieren an manchen Stellen die Oberfläche. Hier und da sind leuchtend helle Schweife zu erkennen, reine Bewegungen, winzige Zufälle. Viele Effekte auf diesen Bildern erinnern an Formen von Lichtbrechungen, die allerdings nicht zu verorten sind. Wir sehen, kurz gesagt, etwas Unmögliches.
Auch die iPad-Zeichnungen von Guggisberg lenken den Blick auf Wände wie auf Projektionsflächen, nur sind die abgebildeten Wände hier weiß. Was bedeutet es, auf eine leere Wand hinter der Galeriewand zu blicken, auf der Schatten und Lichtreflexe tanzen? Auch Kritzeleien sind zu sehen – oder sind es Verfärbungen? Wo gehören sie hin? – Das alles mutet zunächst wie die sogenannte sinnliche Welt an. Benutzte Sinne: Augen und – etwas wie das Koordinationsgefühl. Es gerät leicht ins Wanken. Gern möchten wir den Bildraum ertasten, aber da haben wir es schon: Was bitteschön ist hier der Bildraum?
Wir drehen uns um – warum sollten wir das nicht können? – und suchen nach der Lichtquelle, schauen vielleicht aus einem Fenster. Vielleicht ist es sonnendurchflutet.
Juliane Zöllner