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Uwe Kowski
Matrix
Galerie EIGEN + ART Leipzig
14. Januar 2017 - 25. Februar 2017

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WAS WAR DA LOS? Mit DA sind die ausgestellten 12 Leinwände und mit LOS ist das Atelier des Künstlers Uwe Kowski in Berlin gemeint. Unkenntliche Malerei, also abstrakt, DA gibt es bis auf wenige figurative Anklänge in Form von rudimentären Kopfausbildungen stilistisch nichts zu deuten. In der Bildwirkung erinnern die bemalten Leinwände allesamt an Schlachtengemälde, die entstanden, als Kowski im Atelier LOSlegte und den Kampf um die Bildgenese ausfochte. Und in diesem Zusammenhang gibt es dann wohl nichts Herausfordernderes, als ein erklärendes Textäquivalent über die Gemälde Kowskis zu produzieren.

Auf seinen Werken hat sich der Malprozess wie auf einer Militärkarte eingezeichnet, der sich als farbenkräftige Detonationen artikuliert. In einer atemberaubenden hohen Frequenz werden die Pinselstriche dicht an- und übereinander gesetzt. Kein starrer Stellungskrieg, denn stereotype Formwiederholungen, die die Malerhand aus einem handwerklichen Sicherheitsgefühl instinktiv ausführen möchte, werden unterdrückt und haben Seltenheitswert. Vielmehr findet ein ständiger Frontwechsel mit dem Pinsel statt, an dem sich die Farbzellen zerreißen, gegenseitig aufschlucken oder gar wieder ausspeien können. Der Pinsel erobert das grundierte Leinwandterritorium sukzessiv mit Flankenvorstößen, bisweilen Rückzugsgefechten. Dieser Eroberungsfeldzug findet nicht an einem Tag statt. Waffenpausen zwischen Malerhand und Künstlerkopf werden vereinbart, um sich von der Leinwand zu entfernen, damit das Künstlerauge die Gesamtkomposition observieren kann. Das Werk kann bisweilen in eine abgeschiedene Ecke des Ateliers gestellt und an den darauffolgenden Tagen wieder hervorgeholt werden. Schließlich werden die finalen Farben- und Formen-Entscheidungskämpfe geschlagen, bis dann irgendwann die Leinwand vor Kowski kapituliert und die Friedensverhandlungen mit der Künstlersignatur abgeschlossen werden. Soviel zum WAS WAR DA LOS?

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Die geschaffenen Bildresultate Kowskis flößen dem Blauhelm-Kunsthistoriker bei seiner Farben- und Formeninspektion mehr als Respekt ein. Nicht zuletzt weil im Angesicht dieser Gemälde zeichenfüllende Randglossen zur Biographie des Künstlers oder Randdiskurse bezüglich kunsthistorischer Einordnungen unwichtig erscheinen. Natürlich ließen sich bekannte Sätze nach der Herkunft und den Vorbildern anfügen: dass Kowski Schüler von Bernhard Heisig an der Hochschule für Graphik und Buchkunst in Leipzig war und den nahezu ausgestorbenen Beruf des Schriftmalers erlernt hat, dass Kowski das Verhältnis von Figuration und Abstraktion nach wie vor auslotet, dass Kowski zugleich malerische und zeichnerische Bildstrategien verfolgt, dass etc., doch würde dies alles den vor den Gemälden gemachten Sinneseindruck schärfen?

Versuchen wir einen anderen Ansatz für diesen im Januar 2017 präsentierten Entwicklungsabschnitt im künstlerischen Schaffen Kowskis zu entwickeln. Am Anfang steht zweifellos der künstlerische Wille und die Lust, Bilder zu malen. Der erste Pinselstrich, durch eine Sehidee motiviert, wird gesetzt und damit ein komplexer Dominoeffekt ausgelöst. Denn auf der Leinwand tritt etwas Sichtbares in Erscheinung, das einen ästhetischen Eindruck im Künstlerauge hinterlässt und die ursprüngliche Sehidee nachträglich formt. Mit anderen Worten, die Malerhand wird durch die im Prozess befindliche und zugleich wahrgenommene Malerei angeleitet. Doch damit nicht genug, dieser dialektische Interaktionsprozess wird von optischen Erlebnissen der Gegenwart begleitet, die sich außerhalb der Leinwand ereignen, und von solchen der Vergangenheit, die sich assoziativ durch Erinnerungsspuren auf der Retina ablegen. All dies geschieht gleichzeitig, sodass der malerische Akt, wenn schon nicht gesundheitsgefährdend, so doch mit einer visuellen Dauerbelastung für den Gesichtssinn gleichzusetzen ist.

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Kowski behindert geschickt eine den Sehgewohnheiten dienende Nachahmung der Wirklichkeit auf der Leinwand. Seine Vorgehensweise könnte vielmehr lauten: Zerstörung oder – gemäßigter im Ausdruck – Zurückdrängung der Wahrnehmung durch Malerei. Dabei wird der Bauplan des Bildes offengelegt und als eine Art Parallelbild dem Sinneseindruck gegenübergestellt. Diese am Bild vorgenommene Obduktion trägt letztendlich dazu bei, dass der Betrachter kaum Andockmöglichkeiten in den Kompositionen für sein legitimes Bedürfnis nach gegenständlicher Anschauung findet. Kowskis Malerei ist derart verdichtet, dass sie dank ihres damit einhergehenden autonomen Herrschaftsanspruchs jegliche assoziative Fremdprojektionen größtenteils ohne optischen Widerhall auf der Leinwand verpuffen lässt. Dafür entsteht bei der Rezeption der tobenden Farbmassen, wenn man sie erst einmal mit dem Auge unter Kontrolle gebracht hat, die Ahnung einer Bildgrammatik, die eigens der Künstler über Jahre entwickelt hat. Diese dient ihm aber nicht als Grundlage zur Bildererzählung. Im Gegenteil, Kowski begibt sich unterhalb der lesbaren Bildniveaus und präsentiert einen Strukturcode für Farben und Formen, der uns in die Rolle des Laien versetzt. Wir können nur ungläubig staunen, denn das, was auf den Leinwänden entsteht, gleicht einem Programm, dessen Ausführung konventionelle Bilder auf der Benutzeroberfläche generieren könnte.

LÄUFT WAS SCHIEF? Mit diesem Bildprogramm läuft, abgesehen von der Bewegung des Pinsels an einigen Stellen auf der Leinwand, nichts schief.

Text von Marcus Andrew Hurttig

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