Ricarda Roggan

Texte

Die Fotografin Ricarda Roggan beschäftigt sich in ihren Arbeiten mit vorgefunden Objekten und Räumen und den Spuren, die Menschen daran hinterlassen haben. Wurde in ihren frühen Serien „Stuhl, Tisch und Bett“ das bedeutungslos gewordene Mobiliar verlassener Klassenzimmer oder Büroräume in der neutralen Kulisse ihres Studios gemäß ihrer ursprünglichen Anordnung wiederaufgebaut und re-inszeniert, widmete sie sich in „ATTIKA“ leer stehenden Dachstühlen, die sie auf Streifzügen durch das Umland ihrer Heimatstadt Dresden aufspürte. Nach dem Suchen und Finden – stets Ausgangspunkt ihrer konzeptuellen Arbeitsweise – folgt die sorgfältige Vorbereitung der Räume für die analoge Aufnahme. In mühsamer Kleinstarbeit deckt sie Ritzen im Holz ab, durch die ein störender Tageslichtschein eintreten könnte, beseitigt Staubkörner und mauert sogar ganze Wände zu, um das für sie perfekte Bild zu kreieren, wie in der Werkgruppe Schacht. Das Ready-Made, das der Betrachter zunächst hinter den Bildern vermutet, entpuppt sich bei näherer Untersuchung als streng durchdachte Inszenierung.

Durch die Beseitigung des Hintergrunds, sei es durch die Langzeitbelichtung, die das Motiv in völlige Dunkelheit versetzt, oder durch die Wahl des Bildausschnittes, der alle etwaigen Ausgänge eliminiert, werden die isolierten Orte in ihrer völligen Geschlossenheit und für Menschen nicht-betretbar dargestellt. Räume wie auch Objekte enthebt die Künstlerin aus ihrer ursprünglichen Funktion und rückt sie dadurch in den Mittelpunkt. Dennoch sind es genau die Zeugnisse menschlicher Nutzung, welche die Künstlerin festhalten und herausstellen möchte. So sind in ihren jüngsten Arbeiten RESET alte Videospielautomaten, die sie bei einem Arbeitsaufenthalt in Zypern entdeckt hat, zum Motiv geworden. Wie gestrandete Raumschiffe aus einem anderen Zeitalter oder Requisiten aus einem Science-Fiction Film wirken die seltsamen Apparate. Doch mit ihrem kapselartigen Aufbau sind auch sie kleine, verlassene, ehemals einem Zweck und dem Menschen dienende Räume und gliedern sich dadurch in die Reihe Ricarda Roggans vorheriger Arbeiten ein.

Seit 2007 hat Ricarda Roggan sich zunehmend in die Natur begeben, und sich auf der für sie charakteristischen Weise dem Genre der Landschaftsdarstellung zugewandt. In der Serie SEDIMENTE sind es Gesteinsformationen, Überbleibsel aus vom Menschen gemachten Steinbrüchen, die dem Betrachter als nahezu abstrakte, harte Flächen entgegenstehen und keinen Ausweg erlauben. In den „Baumstücken“ ist die Künstlerin selbst der Mensch, der seine Spuren in der Natur hinterlassen hat und ihr Bildmotiv mit dem üblichen Perfektionismus auf die Aufnahme der Plattenkamera vorbereitet hat, bis alles überflüssige Gestrüpp oder lästiges Blattwerk beseitigt war. Auch hier ist die Auseinandersetzung mit so gegensätzlichen Ansätzen wie Dokumentation und Konstruktion, Wirklichkeit und Modell, Funktion und Nutzlosigkeit die Grundlage ihrer künstlerischen Arbeit.

Weitere aktuelle Serien von Ricarda Roggen sind u.a. “natura Nova, Formationen” (2010), “Ausgänge” (2011), “Reset” (2011), “SET” (2011), "Apokryphen" (2013/2015), "APPARATE" (2017), "1971" (2021) oder "REVISION" (2022)

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